Eine Sprachentwicklungsstörung (SES) liegt vor, wenn Kinder das Sprachsystem nicht altersgemäß oder nicht vollständig erwerben. Dabei muss beachtet werden, dass Kinder Sprache mit großen individuellen Schwankungen erlernen, so dass der „Normbereich“ eine große Spanne darstellt. Die Ursachen für eine Störung im Spracherwerbsprozess sind vielfältig und können nicht nur medizinischer Art (z. B. Hörstörungen ), sondern auch psychischer, soziokultureller oder genetischer Natur sein. Oft gehen solche Schwierigkeiten auch mit allgemeinen Entwicklungsverzögerungen und/oder Störungen von Konzentration und Wahrnehmung einher.
Generell können die Auffälligkeiten dabei auf allen verschiedenen sprachlichen Ebenen auftreten.
Lautbildung: Während Kinder Sprache erwerben, ist es normal, dass innerhalb der ersten vier Lebensjahre Wörter vereinfacht werden, indem Laute vertauscht, ersetzt oder ausgelassen werden. Sollten diese Auffälligkeiten aber über diese Zeit hinaus auftreten, liegt meist eine Aussprachestörung vor. Beispiele hierfür sind: „Tuh“ statt „Kuh“ „Senster“ statt „Fenster“ oder „Sokolade“ statt „Schokolade“. Man unterscheidet dabei phonetische Störungen, bei denen die einzelnen Laute auch gar nicht vom Kind realisiert werden können, und phonologischen Störungen, bei denen die Kinder die einzelnen Laute zwar bilden können, sie jedoch noch nicht korrekt in Wörter einsetzen und erkennen. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein und die Behandlung muss individuell erfolgen, je nachdem, ob die Schwierigkeiten beispielsweise im Bereich der Feinmotorik ( z. B. durch muskuläre Schwäche der Zunge ), der Sensibilität ( Wahrnehmung und Speicherung von Artikulationsbewegungen ), oder auch der Hörverarbeitung ( z. B. Unterscheidung ähnlicher Laute ) liegen.
Sprachverständnis: Störungen des Sprachverständnisses sind unabhängig vom Hörvermögen und es kann sowohl das Wortverständnis als auch das Satzverständnis, also das Verstehen von grammatischen Strukturen betroffen sein. Die Kinder können Erzählungen und Erklärungen nur begrenzt folgen. Auf Aufforderungen reagieren sie häufig nur unvollständig, falsch oder gar nicht. Die Schwierigkeiten werden oft erst spät erkannt, da die Kinder trotz allem über ein gut ausgeprägtes „Situationsverständnis“ verfügen. D. h. sie können Sinnzusammenhänge oft durch Mimik und Gestik ihres Gegenübers oder durch die Situationszusammenhänge entschlüsseln und so richtig reagieren.
Wortschatz: Die meisten Kinder sprechen ihr erstes Wort um den 1. Geburtstag herum. Ab ca. dem 18. Lebensmonat explodiert der Erwerb neuer Begriffe regelrecht und um den 30. Lebensmonat geht man von einem Wortschatz von ca. 400 Wörtern aus. Der Wortschatzerwerb beginnt dabei mit Namen und Dingen aus der unmittelbaren Umgebung der Kinder und wird dann immer vielfältiger. Kinder mit einem eingeschränkten Wortschatz ersetzen Begriffe oft durch unspezifische Bezeichnungen, z. B. „reinmachen“ für „einfüllen, reinlegen, reinstellen, reintragen und einwerfen“. Sie zeigen vieles, anstatt Gegenstände und Wünsche zu versprachlichen und benennen Dinge und Situationen häufig nur mit „das da“. Manchmal lassen sich auch Satzabbrüche oder lange Pausen beim Erzählen der Kinder beobachten. Von den Einschränkungen des Wortschatzes unterscheidet man die Wortfindungsstörungen. Hierbei kennt das Kind ausreichend viele Wörter, hat diese aber noch nicht sortiert genug abspeichern können, um sie bei Bedarf spontan abrufen zu können. Erwachsene kennen dieses Phänomen als „auf der Zunge liegen“ eines Wortes. Bei Kindern mit einer Wortfindungsstörung tritt dies allerdings sehr gehäuft auf und behindert so den Sprechfluss und die Freude an der Kommunikation. Ob und inwiefern der kindliche Wortschatz gestört ist, lässt sich nur durch eine genaue sprachtherapeutische Diagnostik erfassen.
Grammatik: In diesem Bereich sind die Störungsmöglichkeiten vielfältig. Alle grammatischen Strukturen der Sprache können in unterschiedlichem Ausprägungsgrad von dem sogenannten „Dysgrammatismus“ betroffen sein. Beispiele sind: falsche Konjugationsendungen ( „Mama ist gegeht.“ „Er hab einen Bonbon.“ ) ; falscher Einsatz von Präpositionen ( „Wir waren bei Urlaub.“ „Ich warte in den Spielplatz.“ ) ; falsche Pluralbildung ( „Eiers“ „Fußen“ ) ; falsche Deklination ( „Ich hab mit die Frau geredet.“ „Hilf mich bitte.“ ) oder das Kind reiht nur Inhaltswörter ohne grammatische Bindung aneinander ( „ Ich Kindergarten.“ Mama Naschi kaufen.“ ). Gelegentliche grammatische Unsicherheiten dürfen über die gesamte Vorschulzeit auftreten. Bei konstanten grammatischen Auffälligkeiten kann ab dem 4. Lebensjahr logopädische Unterstützung erfolgen. Sollten Kinder aber nach dem 3. Lebensjahr noch immer nur Wörter aneinanderreihen oder das Verb am Ende vom Satz statt an zweiter Stelle plazieren ( z. B. "Mama nach Hause kommt.“ statt „Mama kommt nach Hause.“ ), sollte die Vorstellung schon früher erfolgen.
Die Therapie orientiert sich am jeweiligen Störungsschwerpunkt und am Entwicklungsstand des Kindes. In der Praxis nutzen wir modernste Behandlungsmethoden und legen großen Wert auf kindgerechte, spielerische Vermittlung der Inhalte. Therapie muss Spaß machen um erfolgreich sein zu können. Nicht nur die Kooperation mit anderen Therapeutengruppen, Betreuern und Ärzten, sondern vor allem die enge Zusammenarbeit mit den Eltern ist uns hier wichtig. So endet jede Behandlung mit einer Elterninformation und lässt genug Raum für Fragen, Anleitung und Beratung.